Wertersatz bei Fernabsatzverträgen
Anspruch auf Wertersatz bei übermäßiger Nutzung der Kaufsache
BGH, Urt. v. 12.10.2016, Az.: VIII ZR 55/15
Verbraucher hat kein Recht auf wertersatzfreien Umgang mit der Kaufsache vor Ausübung des Widerrufsrechts im Fernabsatzverkehr.
Dies geht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.10.2016 (Az.: VIII ZR 55/15) hervor.
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall bestellte der Kläger über den Online-Shop der Beklagten einen Katalysator, den er von einer Fachwerkstatt in sein Kfz einbauen ließ. Nach einer Probefahrt stellte er fest, dass sein Pkw nicht mehr die bisherige Leistung aufbrachte, widerrief den Kaufvertrag und forderte den Kaufpreis zurück. Die Beklagte hielt dagegen, dass sie mit einem Wertersatzanspruch aufrechne, da der Katalysator in Folge der Ingebrauchnahme wertlos geworden sei. Das Amtsgericht kam der Klage, die sich auf die Rückzahlung des Kaufpreises richtete, in vollem Umfang nach, woraufhin die Beklagte in Berufung ging. Aufgrund der wirksamen Aufrechnung mit einem Wertersatzanspruch aus § 357 Abs. 3 BGB aF in Folge der Verschlechterung der Kaufsache gab das Landgericht der Klage nur teilweise statt. Der Beklagte fordert weiterhin die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises.
Kein wertersatzfreier Umgang mit der Kaufsache
Zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof findet, sofern die Beklagte den Kläger spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf die Rechtsfolgen einer möglichen Wertersatzverpflichtung gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF hinwies.
Grundsätzlich hat der Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften gemäß § 357 Abs. 3 S. 1 BGB aF die Möglichkeit die Kaufsache auf ihre Eigenschaften und Funktionsweise zu überprüfen, bevor er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, und zwar ohne für einen hieraus entstehenden Wertverlust Rechnung tragen zu müssen. Dies soll den Vorteil eines Ladenkaufs, in dem Musterstücke zur Begutachtung bereitstehen und Fachberatung möglich ist, ausgleichen. Ist die Kaufsache ihrer Verwendung nach dazu bestimmt mit einem anderen Gegenstand verbaut zu werden, besteht auch beim Ladenkauf nicht die Möglichkeit die Gesamtsache auf ihre genauen Eigenschaften und Funktionsweise überprüfen zu können.
Bei einem Ladengeschäft hätte der Kläger den Katalysator auch nicht in seiner Gesamtsache begutachten können. Selbst wenn ihm ein Musterfahrzeug mit verbautem Katalysator zur Verfügung stünde, käme dies nicht der Testmöglichkeit im eigenen Wagen gleich. Das Verbauen in den eigenen Pkw und darüber hinaus das Tätigen einer Probefahrt überschreiten daher die bloße Kompensation der ihm entgangenen Erkenntnismöglichkeiten, die ihm beim Ladengeschäft zur Verfügung stünden. Eine solche Privilegierung des Online-Käufers ist weder im Sinne des nationalen noch des europäischen Gesetzgebers.
Daher sollte man sich nach einem Online-Kauf beim Testen der Ware fragen, ob man diese Art der Erkenntnismöglichkeit auch im Laden erhalten würde. Falls nicht, ist davon abzuraten oder mit einer Wertersatzverpflichtung zu rechnen.
Kein Kommentar