BGH, Urt. v. 05.11.2015, Az.: I ZR 88/13
Leitsätze des Bundesgerichtshofs
- Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 S. 1 Fall 2 UrhG, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu verbreiten, umfasst das Recht, diesen Bild- oder Tonträger der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und gegenüber der Öffentlichkeit gezielt für den Erwerb dieses Bild- oder Tonträgers zu werben.
- Wer den objektiven Tatbestand einer Urheberrechtsverletzung in eigener Person erfüllt, haftet als Täter auch ohne Verschulden nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG auf Unterlassung.
- Wer als bloße unselbstständige Hilfsperson tätig wird, haftet nicht als Täter einer Urheberrechtsverletzung. Unselbstständige Hilfsperson ist, wer aufgrund seiner untergeordneten Stellung keine eigene Entscheidungsbefugnis und keine Herrschaft über die Rechtsverletzung hat.
- Wer eigene Angebote abgibt, ist für diese auch dann verantwortlich, wenn er sie von Dritten erstellen lässt und ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht. Er kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Haftungsprivilegien eines Diensteanbieters nach §§ 8 bis 10 TMG berufen
Dies entschied der Bundesgerichtshof am 05.11.2015 (Az.: I ZR 88/13).
Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall wurde über die Verkaufsseite der Beklagten (Betreiberin eines Internet Bild- und Tonträgerhandels) eine DVD angeboten, deren Bildtonaufnahmen nicht vom Künstler autorisiert worden waren. Damit handelte es sich um eine sogenannte Schwarzpressung. Nachdem die Beklagte die betreffenden Artikel löschte und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, fordert der Kläger nun die Abmahnkostenkosten.
Angebot verstößt gegen Verbreitungsrecht des Urhebers
So liegt das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 S. 1 Fall 2 UrhG, den Bild- oder Tonträger, auf dem seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu verbreiten, der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und gegenüber der Öffentlichkeit für den Kauf zu werben, nur bei ihm selbst. Wird nun eine derartige DVD auf der Internetverkaufsplattform der Beklagten eingestellt, dann verletzt dies das ausschließliche Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers.
Betreiber des Internetverkaufsportals verantwortlich
Grundsätzlich haftet als Täter einer Urheberrechtsverletzung derjenige auf Unterlassung, der die Tatbestandsmerkmale selbst, in mittelbarer Täterschaft oder in Mittäterschaft erfüllt. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG reicht dafür die Verwirklichung des objektiven Tatbestands aus. Ein Verschulden ist für die Annahme einer Täterschaft jedoch nicht Voraussetzung.
Hier hat die Beklagte als Betreiberin der Verkaufsplattform die DVD im eigenen Namen und auf eigene Rechnung angeboten, wodurch sie dem Kunden den Eindruck vermittelt, dass sie die inhaltliche Verantwortung für ihre Verkaufsangebote übernimmt. Ändern tut sich daran auch nichts, wenn man davon ausgeht, dass hier Dritte die Artikel auf der Plattform platzieren können. Für einen Ausschluss der Täterschaft wäre hier die Stellung als bloße Hilfsperson auf Seiten der Beklagten erforderlich gewesen. Danach trifft eine urheberrechtliche Verantwortlichkeit denjenigen nicht, der als bloße Hilfsperson tätig wird und daher keine Herrschaft über die Rechtsverletzung hat. Eine unselbstständige Hilfsperson ist nur, wer die verletzende Handlung in sozialtypischer Hinsicht nicht als eigene zugerechnet werden kann, weil sie aufgrund ihrer untergeordneten Stellung keine eigene Entscheidungsbefugnis hat (z.B. Briefträger, Zusteller, Prospektverteiler).
Hier hat die Beklagte jedoch autonom die Entscheidung getroffen, die ihr von Zulieferern genannten Produkte auf ihrer Internetseite Interessenten zum Kauf anzubieten. So kann sie den Zugang von Drittunternehmen zu ihrer Internetverkaufsplattform jederzeit beenden, einzelne Angebote ausschließen oder entfernen.
Autor: Anton Peter
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