Bild Hetz-Pranger rechtlich zulässig?
Die Bild-Zeitung veröffentlichte heute einen, wie sie es selbst nennt, „Pranger“ gegen rechte Hetzer auf Facebook. Sowohl in ihrer Print-Ausgabe als auch online veröffentlicht sie Fotos und Kommentare von Personen, die unter anderem folgende Statements auf Facebook veröffentlich hatten:
„Der Bimbo soll zurück in den Busch Bananen pflücken!“
„Und wann gehen die viecher wieder???“
„Moslems sind schlimmer wie Kakerlaken…“
(Quelle der Kommentare: BILD
In Bezug auf die Frage, ob diese Aussagen rechtlich zulässig sind oder nicht, muss man wohl nicht wirklich ernsthaft diskutieren. Auch die Veröffentlichung der Zitate durch die BILD scheint nicht wirklich ein rechtliches Problem zu sein. Aber dürfen die wirklich auch die Fotos der Autoren veröffentlichen?
Recht am eigenen Bild
Wie allgemein bekannt ist, hat eine natürliche Person zunächst ein Recht am eigenen Bild, weswegen sie in der Regel nach § 22 KUG zustimmen muss, wenn jemand ein Foto von ihm veröffentlicht. Wenngleich das natürlich nicht zu 100 % ausgeschlossen ist, gehe ich davon aus, dass keine der Personen in die Veröffentlichung eingewilligt hat. Allerdings gibt es auch Ausnahmen für das Einwilligungserfordernis.
Person der Zeitgeschichte
Zum Beispiel Personen der Zeitgeschichte dürfen nach § 23 KUG auch ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet und zur Schau gestellt werden. Doch sind ein paar bis dato unbekannte Menschen, die lediglich dadurch auffallen, dass sie erniedrigende und ausländerfeindliche Sprüche auf Facebook in ihrem Profil veröffentlichen, tatsächlich Personen der Zeitgeschichte???
Nach dem Bundesgerichtshof ist man dann Teil der Zeitgeschichte, wenn im Grundsatz Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse betroffen sind (BGH Urt. v. 28.05.2013 – VI ZR 125/12). Dazu zählen insbesondere auch Vorgänge des politischen Meinungskampfes (zum Beispiel BGH Urt. v. 11.06.2003 – VI ZR 209/12). In den vergangenen Monaten waren das Flüchtlingsthema sowie die ausufernden Hetzen auf Facebook und auf den Straßen Deutschlands DAS Thema von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Auch die nach breiter Auffassung extrem lockere Löschungsrate dieser Hetzkommentare durch Facebook war ein extrem dominantes Thema. Insoweit ist die Auffassung, dass es sich bei den Autoren dieser Hetzkommentare um Personen der Zeitgeschichte handelt, wohl absolut vertretbar.
Interessens- und Güterabwägung
Doch in der Regel muss nach der Beantwortung der Frage, ob es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt, auch noch eine umfassende Interessens- und Güterabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Allgemeinheit und der Pressefreiheit auf der einen Seite und dem Persönlichkeitsrecht der „Betroffenen“ auf der anderen Seite erfolgen. An diesem Punkt könnte man nun seitenlang argumentieren und durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Unter dem Strich ist der vorgenommene Eingriff zwar enorm; nichtsdestotrotz ist das Informationsinteresse der Allgemeinheit in diesem Fall als sehr hoch einzuschätzen; außerdem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Nutzer die Kommentare und Fotos selbst ins Internet gestellt haben, weswegen wohl weder die Privat-, noch die Intimsphäre betroffen ist, sondern allenfalls die Sozialsphäre, die nicht so stark wiegt wie die Privat- und die Intimsphäre.
Hierbei handelt es sich um ein schönes Beispiel für einen „Aber die und die machen das doch auch so; warum darf ich das nicht?“ Fall, welche uns in der Beratung immer wieder unterkommen. Selbstverständlich birgt die Veröffentlichung für die BILD das Risiko, in einem oder mehreren Prozessen zu unterliegen, aber hierbei handelt es sich offenbar um ein kalkuliertes Risiko.
Autor: Holger Loos
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