SICHTBARE TÄTOWIERUNG MIT NAZI-SYMBOLEN BEGRÜNDET EINE SCHULDHAFTE VERLETZUNG VON NEBENPFLICHTEN IM ARBEITSVERHÄLTNIS
Ein Arbeitsverhältnis kann außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn der Arbeitnehmer ein Tattoo sichtbar trägt, welches die besondere Verehrung des NS-Regimes und seines Führers andeutet-
dies entschied das Arbeitsgericht Regensburg i. Urteil v. 31.01.2019, Az.: 5 Ca 1736/18.
Sachverhalt
Der Kläger war Arbeitnehmer des von uns vertretenen Beklagten und seit 09.01.2017 in dessen Werkstatt als Automechaniker beschäftigt. Am 27.07.2018 wurde der Kläger von unserem Beklagten außerordentlich und damit fristlos gekündigt, da sich der Kläger weigerte seine großflächige Tätowierung, welche deutlich sichtbar die Zahl 88 in mindestens 7 cm großen Ziffern im Lorbeerkranz darstellt, abzudecken. Schon im März 2018 kam es zu einem Konflikt der Parteien, nachdem der Kläger aus Metall im Betrieb eine sogenannte „schwarze Sonne“ gebaut und potentiell auch für Kunden sichtbar in der Werkstatt platziert hatte.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung unwirksam sei, da der Arbeitgeber jenseits der Grenze der Strafbarkeit nicht vorschreiben dürfe, welche Tätowierungen getragen werden dürfen, mögen diese „rechtsextremistisch“ sein oder nicht. Auch gab es diesbezüglich keine Mitarbeiter- oder Kundenbeschwerden. Bei der „schwarzen Sonne“ handle es sich um ein altes germanisches Symbol, welches mit dem Nationalsozialismus überhaupt nichts zu tun hätte.
Der objektive Aussagewert des Symbols ist geeignet, sowohl den öffentlichen als auch den betrieblichen Frieden zu stören sowie ein negatives Bild des Unternehmens des Beklagten bei Kunden und Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit hervorzurufen.
Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und im Zusammenhang des Arbeitsverhältnis stehende Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seinen eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer im Betrieb nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 293/ 09 – Juris). Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Regensburg stellt die beharrliche Weigerung des Klägers, die Tätowierung zu bedecken, eine gravierende Pflichtverletzung des Klägers nach § 241 II BGB dar. Bei Abwägung der kollidierenden Grundrechte des Klägers – freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 I GG und Meinungsfreiheit nach Art 5 I GG und des Beklagten – unternehmerische Betätigungsfreiheit nach Art. 12 I GG, überwiege das Grundrecht des Beklagten. Die Weisung des Beklagten, die Tätowierung im Betrieb zu verdecken, stelle dabei einen geringfügigen Eingriff in das nicht schrankenlos gewährte Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Selbstentfaltung dar. Das Symbol der 88 im Lorbeerkranz sei nicht lediglich ein Körperschmuck, sondern beinhalte eine Botschaft, da es in rechtsextremistischen Kreisen als Synonym für „Heil Hitler“ verwendet wird. Dadurch werde die Verehrung des NS-Regimes und seines Führers angedeutet und gleichzeitig der Holocaust verharmlost und die Opfer und Nachkommen verhöhnt. Maßgeblich hierfür sei der objektive Empfängerhorizont. Allein die von der Tätowierung ausgehende Gefahr der Wirkung auf Dritte und den anderen Arbeitnehmern, reiche dabei aus, das Grundrecht des Arbeitgebers aus Art. 12 I GG erheblich zu beeinträchtigen. Auch sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für den Beklagten nicht zumutbar. Die verhaltensbedingte Kündigung bedurfte nach Maßgabe des in § 314 II i.V.m. § 323 II BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch keiner vorausgegangener Abmahnung, da bereits ex ante erkennbar war, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht zu warten war. Schon durch den Vorfall mit der „schwarzen Sonne“ konnte der Beklagte dem Kläger deutlich machen, dass er in Zukunft keine Nazi-Symbole im Betrieb dulden werde.
Autorin: Isabelle Haaf