BGH zur Störerhaftung – Eltern haften für ihre Kinder?

Bundesgerichtshof verneint Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder – und nun?

Seitdem der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass Eltern für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht haften, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt, erhalten wir zahlreiche Anrufe von Mandanten, die allesamt davon ausgehen, dass sie nun auf keinen Fall zahlen müssten, weil der BGH ja entschieden hat, man hafte nicht.

Aber vorab eine kurze Zusammenfassung des BGH-Falls:

Geklagt hatte natürlich – wie sollte es anders sein – die Tonträgerindustrie. Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar, das den Internetanschluss auch ihrem damals 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung gestellt hatten, dem sie zu seinem 12. Geburtstag einen gebrauchten PC überlassen hatten. Es handelte sich also um einen klassischen Fall, den der auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwalt ständig erlebt.

Nach Hausdurchsuchung (Filesharing-Software war auf dem PC des Sohnes) und anschließender Abmahnung gaben die Beklagten, wie wir das als Anwälte oft auch raten, eine entsprechende Unterlassungserklärung ab und weigerten sich Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.

Sowohl das Landgericht Köln als auch das OLG Köln waren der Auffassung, dass die Beklagten sowohl Schadensersatz als auch Anwaltskosten zahlen müssen. Diese Urteile waren die wohl meistzitierten Urteile in den standardisierten Schreiben der Abmahnkanzleien. Das wird sich nun wohl hoffentlich ändern…

Nun hat der Bundesgerichtshof glücklicherweise die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des BGH genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das sonst deren grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine grundsätzliche Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht in der Regel nicht. Hierzu sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.

Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 – Morpheus
LG Köln – Urteil vom 30. März 2011 – 28 O 716/10
OLG Köln – Urteil vom 23. März 2012 – 6 U 67/11

Und was ändert sich nun in der anwaltlichen Praxis durch dieses Urteil? Zunächst ist es natürlich erfreulich, dass Eltern offenbar nicht mehr für alles haften sollen, weswegen nun den Abmahnkanzleien mit ihren oft pauschalen Fallbearbeitungen etwas der Wind aus den Segeln genommen wird.

Aber was nun?

Soll man nun bei jedem Abmahnschreiben dem Gegner mitteilen, dass man es nicht war, man seine Kinder immer belehrt hat und deswegen nicht haftet? Wir gehen davon aus, dass dies wohl von jetzt an die Beratungspraxis zahlreicher Kanzleien werden wird.

Doch ist dies nicht etwas zu kurzsichtig?

Wenn man die Sache zu Ende denkt, kann dann die einzige logische Konsequenz der (mitdenkenden) Abmahnkanzlei sein, nach der erhaltenen Information das Kind abzumahnen. Die Tatsache, dass das Kind noch nicht unbeschränkt geschäftsfähig ist, ändert nichts daran, dass es, unter Umstäänden schon deliktsfähig ist. Unserer Erfahrung nach handelt es sich bei dem klassischen minderjährigen Filesharer in der Regel um Jugendliche, die natürlich schon deliktsfähig sind.

Die Ausrede, man habe sein Kind aufgeklärt und hafte deswegen nicht, kann also durchaus auch ein Eigentor sein, wenn man die Sache nicht zu Ende denkt. Das Urteil des BGH ist sicherlich sehr erfreulich, gibt aber schlussendlich nicht die Form von Rechtssicherheit, wie sie nun in den Medien propagiert wird.

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